Das Lagermodul von Odoo ist eines der wichtigsten Werkzeuge für eine optimierte Lagerhaltung und effizientes Werkzeug zur Optimierung der Lieferkettenprozesse. Mit Version 17 kamen diverse Neuerungen. Einen Teil davon werden wir im Folgenden genauer beleuchten. Während wir zuvor bereits die Grundlagen des Lagermoduls von Odoo abgedeckt haben, steigen wir nun tiefer in die Routen und Regeln, das Herzstück zur Steuerung der Lieferketten in Odoo, ein.
Odoo Lager: Die Neuerungen in Version 17
Grundsätzlich bleibt die Struktur der Lagerapp erhalten. Das Dashboard vereint die vertraute, intuitive und transparente Übersicht der Vorgangstypen mit den bekannten Schnellansichten auf zu erledigende und/ oder verspätete Bewegungen.
Menüübersicht
Den ersten Unterschied zu den vorherigen Versionen sieht man aber in der Strukturierung der Untermenüs. Dabei wurden zum einen die Vorgänge deutlich besser in Untermenüs strukturiert. Das Augenmerk liegt dabei auf dem intelligenten Filtern auf Vorgangsebene. So ist es möglich, mit einem einfachen Klick auf die Transfers → Eingänge alle Wareneingänge zu sehen. Gerade Unternehmen mit mehreren Lagerhäusern werden diese neue und vereinfachte Darstellung zu schätzen wissen.
Zum anderen wurden der Ausschuss und die Bestandsaufnahme in das Untermenü der Anpassungen überführt und ein weiteres Untermenü für die Beschaffung kreiert. Hier findet man die bereits bekannte Funktion der Auffüllung aus den Beschaffungsrouten, aber auch, sofern aktiv, den Produktionszeitplan (MPS) den man aus der erweiterten Fertigung kennt. Somit sind nun alle Bedarfsübersichten an einem Ort vereint und können gezielt rein über die Lagerapp gesteuert werden.
Eine Neustrukturierung hat ebenfalls das Berichtswesen erhalten. Die Lageranalyse ist jetzt unter Leistung und der Lagebericht unter Lagerorte zu finden. Hinzugekommen ist der Bestand. Hier hat man ab sofort eine praktische und einfache Listenansicht aller Produkte und ihrer Bestände und kann sich sehr schnell auf Lagerhaus- und Kategorieebene einen Überblick verschaffen über die Kosten, den Wert und den Bestand eines Produktes, aber auch über den prognostizierten Bestand, sowie die Historie, Meldebestandsregeln, Lagerorte und, per Smartlink, auch direkt zum Prognosebericht des Produktes. Ebenfalls ist hier eine einfache Lagerbestandsanpassung möglich.
Die Bestandsbewertung lässt sich mit Odoo 17 über die Buchhaltung automatisch buchen und in Echtzeit ansehen. Wichtig dafür ist die korrekte Einstellung der Lagerbewertung in den Lagerkategorien (weitere Informationen hier). Das Berichtswesen ermöglicht mit Version 17 auch die einfache Darstellung des Lagerbestandswertes der Produkte auf Vorgangsebene (Bewertung, Bestandsalterung). Im übrigen können nun auch Produktionskosten auf gezielte Konten automatisch gebucht werden. Diese gehen natürlich wie gehabt auch auf den Wert des Produktes ein.
FIFO-Bestandsbewertung und Durchschnittskosten
Angelehnt an das eben besprochene Thema der Bestandsbewertung, werden ab Odoo 17 die Kosten von FIFO-geführten Produkten auf die Durchschnittskosten angepasst.
Abhängig vom Warenein- und -ausgang werden so in Echtzeit die Produktkosten im Produkt geführt.
Ein Beispiel um das zu verdeutlichen:
Unser Produkt, das Dreisitzer-Sofa, wurde zu Beginn für 100€ pro Stück eingekauft.
Anschließend wurde eine zweite Bestellung getätigt, in der ein Sofa 120€ kostete.
Schaut man nun in die Kosten des Produktes, wird hier der Durchschnittspreis aus den beiden Bestellungen angegeben.
Wir verkaufen anschließend 1 Sofa an unseren Kunden und haben nach der FiFo-Methode noch 9 Sofas im Wert von je 100€ und 10 Sofas im Wert von je 120€ im Lager.
Unsere Kosten des Produktes haben sich aber auf den neuen Bestand und den damit verbundenen durchschnittlichen Wert angepasst.
Doch welchen Vorteil bringt uns das? Bei einer Lagerbestandsanpassung nimmt Odoo nicht mehr den letzten Einkaufswert des Produktes, sondern nutzt diesen Durchschnittswert, was eine realistische Bestandsbewertung erlaubt.
Reservierungen pro Auftragszeile
Eine weitere Neuerung ist, dass sich das Aufheben von Reservierungen nun nur noch auf das ausgewählte Produkt auswirkt und nicht mehr auf den gesamten Auftrag. So bleiben die anderen Produktzeilen eines Auftrages für diesen reserviert. Der Vorteil dabei ist, dass Aufträge kundenorientierter und individueller reserviert und ausgeliefert werden können.
Weitere Neuerungen
Version 17 bietet darüber hinaus einige weitere interessante Funktionen, wie beispielsweise
- das Nutzen von Barcodes auch auf dem Pickschein,
- eine Abbildung der Incoterms, Lagerorte und Verpackungen direkt auf dem Lieferschein,
- die Automatisierung zum Druck von Lieferscheinen, Retourenscheinen u.v.m. direkt aus der Validierung heraus (hierbei kann ebenfalls die IoT-Box für den direkten Ausdruck verwendet werden),
- eine Spezifizierung von Versandmethoden für Routen,
- eine neue Entnahmestrategie “Kleinstes Paket” in den Lagerorten, sodass ein Bedarf aus einem Paket gedeckt wird und nicht mehr aus mehreren um die Effizienz zu optimieren und Müll zu vermeiden.
Routen und Regeln
Die Basis aller Lagerbewegungen von Produkten in Odoo sind Routen, deren Grundlage die darin definierten Regeln darstellen.
Zum Nutzen dieser muss in der Konfiguration des Lagers die Option “Mehrstufige Routen” aktiviert sein. Da Routen Lagerorte benötigen, ist die Funktion nur mit der Aktivierung der Option “Lagerorte” verfügbar.
Mit der Aktivierung sind bereits vordefinierte Routen in Odoo vorhanden, mit denen direkt gestartet werden kann. Analog gilt dies für mehrstufige Lagerprozesse, bspw. den Wareneingang, auch hier werden automatisch mit der Aktivierung die Standardrouten von Odoo im System freigegeben.
Diese Routen können anschließend angepasst und optimiert oder durch zusätzliche Routen und Regeln erweitert werden.
Im Folgenden wollen wir uns die Prozesse dahinter einmal anschauen und genauer beleuchten.
Routen
Routen sind eine Sammlung von Regeln, welche auf bestimmte Produkte/Prozesse angewendet werden und so die Lagerverwaltung erleichtern und automatisieren können.
Dabei entscheidet die Route an sich, ob Produkte in einem Transfer gruppiert werden. Für eine Auslieferung wäre eine Gruppierung von mehreren Produkten mehrerer Aufträge wenig sinnvoll, allerdings ist für den Lagermitarbeiter eine Gruppierung im Kommissionieren absolut sinnvoll und ermöglicht so eine höhere Effizienz im Lager.
Des Weiteren kann in der Route definiert werden, welches Lager standardmäßig beliefert wird. Die Sequenz gibt an, in welcher Reihenfolge die Route ausgelöst wird (Priorisierung in der Anzeige bzw. in der Auslösung). Bei einer Multicompany-Umgebung kann zudem eingestellt werden, dass Routen spezifisch für ein Unternehmen gelten.
Ebenso wird in den Routen definiert, an welcher Stelle diese ausgewählt werden kann, da dies am Produkt (häufigste Einstellung), an der Produktkategorie, im Lagerhaus, in der Versandmethode oder auf Verkaufsauftragszeilenebene möglich ist. So können spezifische Routen z.B. innerhalb eines Verkaufsauftrages ausgelöst werden.
Innerhalb der Routen sind dann die dazugehörigen Regeln aufgelistet. Diese können direkt in der Route bearbeitet werden oder alternativ im Menü Konfiguration → Lagerverwaltung → Regeln.
Regeln
Grundlage der Regeln sind in Odoo die Pull/Push-Regeln.
Odoo bedient sich der Bedarfsprognose, d.h. wenn an einem bestimmten Lagerort ein Bedarf entsteht, wird dieser über das Auslösen von Pull-Regeln gedeckt. So wird beispielsweise durch einen Verkaufsauftrag der Bedarf im Kundenlagerort erstellt. Odoo sucht für diesen Lagerort die definierte Pull-Regel. Im Falle eines einstufigen Warenausganges wird diese in der Regel für den einstufigen Versand gefunden, welche definiert, dass wenn ein Bedarf am Kundenstandort entsteht, ein Lieferauftrag (Transfer) vom Lager erstellt wird, um den Bedarf zu decken.
Analog würde dies für einen mehrstufigen Versand gelten. Wenn in deinem Unternehmen Waren erst an einer Verpackungsstation verpackt werden bevor sie ausgeliefert werden, so würde hier der Bedarf am Kundenstandort einen Transfer von der Verpackungsstation (Lagerort) generieren, welcher wiederum über einen Transfer vom Lager in die Verpackungsstation erfüllt werden muss.
Odoo arbeitet hier immer auf Grundlage dieser Pull-Regeln, um Produkttransfers zu erstellen und beginnt dabei immer am Ende des Bedarfs, hier der Kundenstandort. Der Mitarbeiter im Lager arbeitet dann diesen Auftrag in umgekehrter Reihenfolge ab.
Push-Regeln dienen dazu, Prozesse weiter automatisieren. So kann beispielsweise über eine Push-Regel definiert werden, dass nach dem Wareneingang ein Produkt direkt zur Qualitätskontrolle umgelagert werden muss, um die Anlieferung zu überprüfen.
Wie ist nun eine Regel genau aufgebaut und wie kann diese für die eigenen Prozesse angepasst werden?
Definiert werden Regeln durch ihre Aktion. Hier wird unterschieden in “Nehmen von”, “Schieben nach” und deren Kombination mit Pull- und Push-Auslösern, von und nach definierten Lagerorten. Zudem wird über die Fertigung direkt ein Fertigungsauftrag und über den Einkauf eine Angebotsanfrage angelegt.
Abhängig von der Aktion wird von Odoo der Ziellagerort vordefiniert und auf welche Vorgangsart sich diese Regel bezieht. Wenn die Regel es erfordert, legt Odoo auch den Quelllagerort und die Beschaffungsmethode fest.
Alles kann hier passend zum Unternehmen angepasst werden. Die Beschaffungsmethode ist dabei unterteilt in
- Lagerentnahme: hier entnimmt Odoo die Produkte aus dem verfügbaren Bestand
- Andere Regel auslösen: Odoo versucht hier eine Regel zu finden und auszulösen um den Bedarf am Quelllagerort zu erfüllen
- Lagerentnahme, wenn nicht verfügbar andere Regel auslösen: hier wird zunächst auf den Bestand geschaut, wenn dieser nicht ausreicht wir eine Regel gesucht um den Bedarf zu decken.
Um sicher zu gehen, dass eine Regel korrekt auslöst, bietet Odoo eine Kurzzusammenfassung rechts neben diesen Einstellungen, welche die definierte Route noch einmal in Klarschrift erläutert. Analog zu den Routen können die Regeln auf ein spezifisches Lagerhaus und/oder Unternehmen angewendet werden. Die Anwendung auf eine definierte Route ist jedoch verpflichtend. Eine Regel kann nur für eine bestimmte Route gelten.
Eine weitere wichtige Konfiguration ist die Übertragung der Beschaffungsgruppe. Hier lässt sich definieren, ob der Bedarf welcher beispielsweise in einem Einkauf resultiert gesammelt wird, bis die Einkaufsanfrage zu einem Auftrag bestätigt wird (Leer lassen; Standardmethode und default-Wert) oder ob die Einkäufe einzeln angelegt werden (Übertragen) oder ob gar eine spezifische Beschaffungsgruppe genutzt werden soll (Fest).
Zudem ist es möglich, in der Übertragung zu entscheiden, ob nachfolgende Bewegungen automatisch abgebrochen werden sollen, wenn in dieser Regel ein erzeugter Vorgang abgebrochen wurde und ob das Versandunternehmen eingetragen wird. Bei einem Unternehmen mit mehreren Lagerhäusern kann es sein, dass die erstellten Bewegungen/Beschaffungen an ein spezifisches Lagerhaus übertragen werden sollen, diese kann von dem Lagerhaus abweichen für das diese Regel gilt und kann in dem Feld zur Übertragung des Lagerhauses definiert werden.
Das war ein kurzer und tiefer Einblick in die Routen und Regeln des Lagermoduls von Odoo. Natürlich unterstützen wir bei der Konfiguration und optimieren mit dir gemeinsam dein Lager für einen reibungslosen Prozess vom Einkauf oder der Fertigung über das Lager bis hin zum Verkauf. Kontaktiere uns gern bzgl. deiner Herausforderungen oder offenen Fragen rund um das Thema Odoo Lager!
Quellen: odoo.com
Odoo Lager: So gelingt die Verwaltung