Bereits 1930 prophezeite der britische Ökonom John Maynard Keynes, dass Menschen in 100 Jahren nur noch 15 Stunden pro Woche arbeiten würden.
Diese Vorstellung entspricht im Jahr 2022 nicht der Realität, doch die Idee der Umstrukturierung und gegebenenfalls sogar Reduktion der Arbeitszeiten wird in vielen Ländern diskutiert.
Erst Mitte Februar diesen Jahres einigte sich die belgische Regierung auf den gesetzlichen Anspruch auf eine Vier-Tage-Woche. Die Intention dahinter sei mehr Flexibilität und Freiheit für Arbeitnehmer im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, so Belgiens Premierminister Alexander De Croo. Dabei können die Arbeitnehmer entscheiden, ob sie ihre Arbeitsstunden an vier oder fünf Tagen verrichten wollen.
Auch in Deutschland trifft die Idee der Vier-Tage-Woche auf Begeisterung: laut einer Forsa-Umfrage wünschen sich 71 Prozent der Befragten auch in Deutschland diese Option. Am meisten Anklang findet die Idee einer möglichen Vier-Tage-Woche bei Beschäftigten mit höherem Bildungsabschluss, besonders bei 30- bis 45-jährigen Arbeitnehmern. Eine wichtige Rolle scheint der Wunsch danach zu sein, Familie und Beruf einfacher unter einen Hut zu bekommen. Stichwort Work-Life-Balance.
Doch wie genau kann ein solches Modell der Vier-Tage-Woche aussehen und welche Vor- und Nachteile bringt es mit sich?
Diskutiert werden in Deutschland aktuell vor allem zwei Modelle. Ersteres beinhaltet eine Vier-Tage-Woche bei gleichbleibender Stundenanzahl. Die vereinbarte Anzahl der Arbeitsstunden reduziert sich also nicht, nur die Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage. Somit würde bei einer 40-Stunden-Woche die tägliche Arbeitszeit von 8 auf 10 Stunden steigen. Bei dem zweiten Modell verringert sich neben der Anzahl der Arbeitstage auch die Stundenanzahl. Besonders großen Diskussionsbedarf hat dabei die Klärung der Frage, ob und um wie viel der Lohn bei verringerter Stundenanzahl sinkt. Bei dieser Frage verweisen einige auf einen isländischen Versuch, bei dem von 2015 bis 2019 tausende Beschäftigte statt 40 Stunden nur 35 oder 36 arbeiteten - bei gleichem Lohn. Die Zufriedenheit der Beschäftigten stieg dabei deutlich, ohne Verluste an Produktivität. Allerdings sind befragte Unternehmen selten dazu bereit, genauso viel Geld für weniger Arbeit zu zahlen.
Die Frage nach einer möglichen Lohnveränderung bleibt wohl noch lange Teil der Diskussion. Unumstritten ist allerdings die Tatsache, dass eine Vier-Tage-Woche viel Potenzial mit sich bringt.
Klar auf der Hand liegen die Vorteile für Arbeitnehmer: Durch den zusätzlichen Tag für private Erledigungen und Verpflichtungen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie mehr Freizeit und somit einen größeren Ausgleich zur Arbeitswoche haben. Die Zufriedenheit der Arbeitnehmer steigt dadurch, was wiederum tendenziell zu sinkenden Krankheitsfällen, einer höheren Stressresistenz und auch höheren Motivation führt.
Auch für Arbeitgeber können sich durch eine Vier-Tage-Woche Vorteile bieten: Experimente verschiedener Unternehmen ergaben – anders als oft erwartet – eine steigende Produktivität der Beschäftigten durch eine verkürzte Arbeitswoche. Demzufolge kann eine Vier-Tage-Woche für Arbeitgeber deutliche Wettbewerbsvorteile bedeuten. Ebenso kann die Attraktivität der Arbeitgeber bei Bewerbern steigen. Gerade bei jüngeren Bewerbern kann die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche ein ausschlaggebendes Kriterium für die Entscheidung sein. Weiterhin sollte man auch nicht außer Acht lassen, dass die Vier-Tage-Woche die Chance eröffnet, bisherige Vorgehensweisen und Strukturen im Unternehmen zu überdenken.
Neben den ersichtlichen Vorteilen, die mit einer Vier-Tage-Woche einhergehen können, gilt es auch die Nachteile zu beachten. Ein großer Nachteil für Arbeitnehmer sind mögliche finanzielle Einbußen. Obwohl manche Unternehmen die Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich ausprobieren, ist für die meisten Arbeitgeber das Modell nur vorstellbar, wenn sie Personalkosten sparen. Außerdem besteht für Arbeitnehmer die Gefahr, dass durch die längeren Arbeitstage der Stress an der Arbeit steigt. Sollte dies zu höherem Druck und Überstunden führen, bleiben die erhofften Vorteile für Beschäftigte womöglich aus. Die Produktivität kann dann sinken und der Krankenstand steigen.
Den Arbeitgebern kann die Vier-Tage-Woche ebenso einiges abverlangen. Besonders die Umstrukturierung und Organisation kann eine große Herausforderung darstellen. Für Arbeitgeber lohnt sich die Vier-Tage-Woche vielen Meinungen nach also nur, wenn die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter zumindest gleichbleibt. Andernfalls seien sie gegenüber Konkurrenten im Nachteil.
Ob eine Vier-Tage-Woche erfolgreich sein kann, hängt also von ihrer Ausgestaltung ab. Sie bietet definitiv maßgebliche Vorteile und kann zu einer höheren Produktivität, Motivation und Attraktivität von Unternehmen führen.
Fest steht - die Diskussion um Änderungen unserer Arbeitsmodelle besteht und wird stets Teil der Arbeitswelt bleiben.
Quellen: www.sueddeutsche.de, www.utopia.de, www.lebenslauf.net
Die Debatte um die Vier-Tage-Woche